Freitag, 4. September 2009

Per Anhalter nach Tibet:









Wir machen uns am fruehen morgen auf den Weg heraus aus der Stadt, das kann mit oeffentlichen Verkehrsmitteln in einer chinesischen Stadt schonmal seine 3 Stunden dauern. Irgendwann faehrt der Bus nicht mehr Richtung Highway wie auf unserer Karte eingezeichnet, sondern biegt ab. Wir fragen im Bus herum, wer Englisch sprechen kann, ein junger Chinese hilft und weiter, er muss zu m gleichen Punkt wie wir, weil dort seine Uni ist. Der Tuc-Tuc Fahrer verfaehrt sich und der Chinese sagt, dass diese Gegend ja auch wirklich schwer fuer die Orientierung sei. Ein Blick in meinen Stadtplan sagt mir, dass alles im Schachbrett angelegt ist, wirklich einfach und ich erklaere dem Taxi-Fahrer wo er hinfahren muss. Wir enden am Beginn des Highways und laufen los. Der Chinese laeuft komischerweise mit und nach einer Weile frage ich ihn wo er eigentlich hinwill – ich meine, wir laufen immerhin mitten auf der Autobahn, das ist selbst fuer Chinesen ein ungewoehnlicher Platz. Er zuckt mit den Schultern und sagt soviel wie: Komisch letztes Mal sah hier alles anders aus! Mit Hilfe meines Stadtplans finden wir dann heraus wo er eigentlich hinmuss. Er freut sich und sagt, ich waere wirklich gut in “Orientation”. An dieser Stelle ist es Zeit fuer einen kleine Exkurs:


Chinese people and maps, and chinese maps:

Chinesen scheinen ueberhaupt keinen Orientierungssinn zu haben, oder sich komplett anders zu orientieren als wir es tun. Das kann man deutlich merken, wenn man per Anhalter faehrt. Sie brauchen immer ewig ihr Ziel oder wahlweise ihre Heimatstadt zu entdecken, und einige kommen gar nicht mit der Karte zurande, die wir ihnen unter die Nase halten. Ich habe eine Karte von China mit den Staedtenamen auf chinesisch und lateinischer Schrift, die allerdings in China hergestellt worden ist. Wir merken, dass die Distanzen zwischen den Staedten definitiv nicht stimmen, somit die Skala nicht zu gebrauchen ist. Weiterhin sind – optimistisch wie der Chinese ja ist – alle sich im Bau befindenden, oder gar nur geplanten Strassen – als vollwertige Fahrwege eingezeichnet. Wir halten also zuweilen drei Karten nebeneinander, um die Wahrheit irgendwo in der Mitte zu suchen, denn auch Taylors kanadische Karte stimmt nicht immer. Auch gibt es keine Wanderkarten von Gebieten kaeuflich zu erwerben (schon gar nicht vom tibetischen Grenzgebiet) also geben wir uns mit der Provinzkarte von Sechuan zufrieden und uebersetzen in muehevoller Kleinarbeit die chinesischen Schriftzeichen und messen km ab.


So geht es fuer uns hinauf per Autostopp aufs Hochplaeteau des Himalayas zuerst auf 3000m Hoehe. Die Temeperatur nimmt- Gott sei Dank- endlich deutlich ab. Die Strasse ist, da natuerlich im Bau befindlich, recht beschwerlich. An den Strassensperren begegnen uns schon die ersten tibetischen Moenche. Gegen Mittag nimmt uns ein Truck-Fahrer mit, wir unterhalten uns gut mit ihm auf der “no-language-communication”. Er erklaert uns, dass er etwas be- und entladen muss und danach weiter in unsere Richtung faehrt. Wir bleiben also im Truck, fahren rieseige Metallstangen entladen, zeigen dem Fahrer (der nicht aelter ist als wir) unsere Fotos waehrend der Wartezeit und er ruft seine Freundin an, die ein wenig Englisch kann zum uebersetzen. Die Freundin erklaert uns, dass uns unser tibetischer Freund zum Essen einladen moechte und uns anbietet mit ihm im Truck zu uebernachten, da es mittlerweile schon spaet ist und es draussen regnet. An einem Bergpass kommen wir dann gegen 23 Uhr an einem Restaurant an. Wir werden mit Essen versorgt, und dass nicht zu knapp und machen es uns anschliessend im Fuehrerhaeuschen des LKWs bequem. Unser Truck-Freund moechte gerne, dass ich Gitarre spiele und den Gefallen tue ich ihm natuerlich gerne, und er nimmt gleich alles mit seinem Mobiltelefon auf. Dann schreibt er uns noch auf Chinesisch einen langen Brief, mal sehen wo wir das uebersetzen koennen….


Eine Couchsurferin aus Xinjiang hat mir den Text spaeter uebersetzt:

I am really glad to know you guys, friends from far away. When i first saw you i fell like i know you before. You are very happy people and that makes me feel happy, too, cause i like happy people. I am worrieng you think i am up for sth. bad, so i found my friend to translate on the phone because of that. I hope you liked that food tonight. I hope you enjoyed it. I am very happy to have the opportunity to spend the night with two foreigners from Canada and Germany, ecspecially when the beautiful german girl used the guitar to play and sing. I will never forget this night. I thank Buddha that i have a wonderful day with you and you helped me to be happy and blessed forever. My name is Zhu Jau Bing, and i love my family, thats why i cherish all my friends around me.



Die Nacht schlafen wir also trocken und am anderen morgen verabschieden wir uns

und machen uns auf den Weg die Strasse entlang. Wir sind noch gute 300km von der Grenze entfernt, trotzdem kriegen wir schon jetzt “Stress” mit der Polizei. In jedem kleinen Bergdorf gibt es mindestens eine Polizeistation (show up!). So auch in jenem kleinen Dorf, indem der Truck, indem wir uns gerade befinden angehalten wird. Die Polizei macht offensichtlich Stress und sie kontrollieren unsere Paesse. Der LKW-Fahrer darf auch irgendweswegen nicht mehr weiterfahren, die Situation geht hin und her, wir haben die Schnauze voll, es passiert nichts produktives und tuermen. Die Polizei will, dass wir auf die Station kommen. Wir sagen, dass wir nicht dorthin gehen werden, solange es keinen Grund gibt, unsere Paesse und das Visum sind in Ordnung und wir duerfen

uns hier aufhalten. Waehrend die Polizei wieder mit dem LKW-Fahrer zugange ist, hauen wir ab, raus aus dem Dorf. Ein neuer LKW nimmt uns mit, wir freuen uns gerade, dass wir nun fort sind von dem Theater, da ueberholt uns die Polizeistreife und haelt den Truck an. Die drei Polizisten machen uns klar, dass wir mitkommen sollen. Ich gebe nochmals meinen Pass ab. Wir werden allmaehlich wuetend, weil wir nicht wissen was das Ganze soll. Wir laden unsere Rucksaecke aus und lassen den Truck passieren – das schein laenger zu dauern. Von den Polizisten spricht natuerlich keiner Englisch, so stehen wir alle doof im Regen an der Stra

sse rum. Die Polizisten noch dooefer!!!

















Wir erklaeren nochmals, dass wir nicht in eine Polizeistation gehen und schon gar nicht hier. Irgendwann kriegen wir wieder ein Telefon in die Hand gedrueckt. Taylor spricht mit irgendjemanden von der Polizei, wird rech

t sauer und erklaert dass sei uns in Ruhe lassen sollen und ich sage, dass ich das deutsche Konsulat in Chengdu anrufe, wenn sie uns nicht in Ruhe lassen. Dann faengt der Typ am Telefon an davon zu reden, dass wir nicht weitergehen koennen, weil die Strasse gesperrt ist, wegen des vielen Regens. Komischerweise passieren uns aber aus beiden Richtungen immer noch LKWs. Dann erzaehlt er, dass die Polizei uns nur helfen will. Wir erklaeren, dass wir keine Hilfe brauchen und nun weiterlaufen werden (in der Hoffnung, dass die sich endlich verkruemeln). Wir laufen also weiter und die Polizei eskortiert uns fahrenderweise, und wir kriegen einen Vollhals, weil

wir so schlecht ein Auto stoppen koennen. Irgendwann haelt allerdings die Polizei einen Bus fuer uns an, und wir sagen wir wuerden keinen Bus bezahlen, da sagt die Polizei: kein Problem…und wir steigen ein. Spaeter wissen wir warum es so einfach war, in der naechsten Stadt wartet die naechste Kontrolle und die chinesische Polizei agiert ein bisschen nach dem Motto, aus den Augen aus den Sinn, sobald wir also weg sind ist es nicht mehr ihr Problem. Wir werden also hier registriet und- by the way- die Strasse war nirgendwo gesperrt. Aber dafuer hatten wir die Busfahrt mit vielen netten und interessanten Tibetern. Die Atmosphaere in diesem Bus war soviel entspannter als in chinesischen Bussen. Es war still, nur einige haben vor sich hingesungen, traditionelle Lieder und die Gloeckchen an den Scheiben haben geklungen.

Nach der Registration (waehrend dieses Prozederes habe ich die Augen verd

reht, weil die Chinesen alles so furchtbar kompliziert machen- die Fragen einen sogar mit MEINEM Visa in der Hand “where you from”- mussten die Tibeter lachen und ich fuehle mich auf seltsame Art und Weise mit ihnen in einem Boot) machen wir uns weiter auf den Weg, mit tibetischen Familien durch kleine tibetische Doerfer in denen uns die Menschen freundlich anlaecheln und “Welcome to Tibet” sagen. Hier also faengt Tibet an! Auf 3500m Hoehe wird die Kultur so anders, soviel freundlicher, echter und interessanter, dass ich mein

Heimweh vergesse und mich frage wie man gegen ein solches – absolut Frieden austrahlendes- Volk als Regierung nur so robust vorgehen kann. Viele Fragen kreisen in meinem Kopf. Je hoeher wir kommen umso mehr Polizei und Militaer begegnen uns. Daneben laufen dann Moenche und Tibeter in ihren traditionellen Kleidungen. Dieser Anblick ist irgendwie grotesk und stimmt mich auch traurig. Ich kann nicht verstehen was hier vor sich geht.

Weiterhin entdecke ich viele parallelen zum mongolischen Volk in der Musik, in den Mustern und Ornamenten, in der Kleidung, in der Zeichensprache und die Art und Weise wie sei ihre Haeuser schmuecken und nicht zuletzt die friedvolle und relaxte Art und Weise mit der sie agieren. Dies steht fuer mich im krassen Gegensatz

zu dem ganzen chinesischen Getue rundherum. Und die chinesischen Flaggen die immer wieder hier und da oeffentliche Gebaeude und Polizeistationen schmuecken wirken auf grotestke Art und Weise fehl am Platz.

Die Landschaft hier oben ist einfach umwerfend schoen, die Haeuser sind so liebevoll bunt mit tibetischen Mustern bemalt und auf den Strassen trifft man Pilger die nach Lhasa pilgern, Bauern mit Kiepen, Frauen mit Kindern auf den Ruecken, die ihre Haare kunstvoll zusammengesteckt haben und die bunte, tibetisch Trachten tragen. Die Strassen bleiben allerdings weiterhin beschwerlich. Immer wieder sieht man Stein- oder Schlammlawinen die die Strasse zerstoert haben und blockieren.

Gegen Abend sind wir in einem kleinen Dorf. Wir wollen ausserhalb des Dorfes einen Platz fuer unser Zelt suchen. Die Kinder des Dorfes folgen uns. Wir unterhalten uns ein wenig mit ihnen. Ein kleiner Junge traegt einen kleinen Affen unter seinem Pullover, den er uns stolz zeigt.


Dann laufen wir weiter um einen guten Spot zu finden, oben am Huegel steht ein tibetischer Bauer mit seinem Minni-Traktor, er winkt uns mit einer Geeste und ich denke nur: L

ets go for it! ....und renne den Huegel hinauf. Der kleine Traktor hat einen Minni-Anhaenger auf den wir uns stellen und schon geht die Fahrt los. Wir muessen uns gut festhalten, waehrend uns der Matsch von der Strasse ins Gesicht spritzt. Aber die Fahrt macht Spass, entlang des Flusses koennen wir nach geeigneten “Camping-Plaetzen” Ausschau halten. Am Rande des Flusses stehen nach einiger Zeit einige Gebaeude und der Bauer stoppt, und wir wollen unser Zelt aufschlagen. Der Bauer wird umringt von ca. 7 Kindern, erklaert uns mit Gesten, dass wir bei ihm Essen und schlafen sollen. Nach einer Weile nehmen wir das Angebot an und denken es kann ja nicht schaden fuer eine Nacht trocken und

warm zu schlafen (aber es sollten noch viele dieser Angebote folgen!). Wir laufen also mit ihm und den Kindern in seine Unterkunft. Es ist alles sehr, sehr aermlich - in der Mitte des einen (von zwei!) Raeumen steht ein grosser Feuerofen, wo seine tibetische Frau uns nun tibetischen Tee kocht. Hier treffen wir auch Powazachen, seinen 19jaehrigen Neffen, der ein wenig Englisch sprechen kann. An diesem Abend unterhalte ich mich viel mit Powazachen. Er scheint ganz helle zu sein, gibt sofort selbstbewusst (einen Charackterzug den man bei Chinesen nicht so beobachten kann) zuverstehen, dass er Tibeter ist und die Chinesen nicht mag weil sie so viel zerstoert haben. Er bringt uns unsere ersten tibetischen Woerter bei, und schreibt uns einiges in tibetischer Schrift auf die, nebenbei gesagt, wunderschoen ist!

Wir erfahren in dieser kleinen, armen Bauernfamilie so unglaublich gute Gastfreundschaft, dass ich sie innerhalb von wenigen Stunden in mein Herz schliesse. Als sie anfangen zu kochen, wollen wir ihnen von unserem Gemuese abgeben und muessen wirklich darum kaempfen, dass sie es annehmen. Der Bauer gibt uns immer wieder zu verstehen, dass wir viel Essen muessen fuer den Weg, indem er sich ueber den Bauch streicht und Laufbewegungen macht!

Wir duerfen in dem einzigen "Bett" was die Familie besitzt uebernachten (bzw. muessen! Es ist uns nicht erlaubt auf unserer Thermarest zu schlafen), waehrend Powazachen mit seinen drei Geschwistern auf einer Matte auf dem Boden schlaeft. Am anderen morgen gibt es zum Fruestueck Reis mit Gemuese und Dscha mit Yakmilch (dem tibetischen Tee) - was mich auch an die Mongolei erinnert!

Mir faellt der Abschied von dieser kleinen Familie schwer, aber unsere Visa-Zeit rennt ein wenig und wir koennen trotz weiterer Einladungen nicht bleiben. Leider haben die meisten Tibeter keine Postadresse, so dass es schwer wird in Kontakt zu bleiben :-(


Fuer uns geht es weiter bergauf auf 5000m Hoehe auf das tibetische Hochplateau!


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