Sonntag, 27. September 2009

Wie Autostopp, "sich Uebergeben" und der groesste Hagel-Gewittersturm zusammen passt...




Die Nacht wird trotzdem relativ unruhig, einige Hunde streunen herum, knurren und bellen sich die Seele aus dem Leib, so dass ich erst Angst habe, dann aber irgendwann frustrierend um meinen Schlaf gebracht aufspringe und die Hunde Steine bewerfend und auf deutsch fluchend verjage, dabei frage ich mich allerdings wie bescheuert das aussehen muss mitten in der Nacht mit Thermo-Unterwaesche in Tibet schreiend:"Verpiss dich du Sche...Koeter, oder ich mach dir Beine, dann kannst du mal sehen wie du dann guckst!"
Gegen fruehen morgen werden
wir dann von einer Yak-Heerde geweckt, die um unser "Lager" herumspaziert, eine Stunde spaeter erwischt mich dann eine schoene Magen-Darm-Grippe. Natuerlich haben uns auch schnell einige Tibeter entdeckt, die uns mit Gesten freundich zum Fruehstueck einladen. Ich leide allerdings schon so sehr und muss mich mehrmals uebergeben, so dass die tibetischen Schulkinder ihren Spass haben ("Was? Weisse muessen sich auch uebergeben!") - JAAAAHA! Waehrend ich also
auf meiner The
rmarest liege und warte dass es mir besser geht, besorgt Taylor Brote bzw. Flad
en, und eine Tibeterin schafft Koerbeweise Kuhmist heran und breitet diesen unweit von mir zum trocknen aus (fuer ihre Oefen als Brennmaterial) - was mir all
erdings in meinem Genesungsprozess nicht gerade hilft....

Ich liege und leide...irgendwann bedeutet mir eine Tibeterin mitzukommen, sie will mir Dscha geben. Benommen stolper ich hinter ihr her. Sie fuehrt mich in ihre Lehm
huette, dort steht wieder der typische Langofen
in der Mitte und es ist schoen warm! Ein etwa 3jaehriges Maedchen schaut mich mit grossen Augen erstaunt an. Ich setze mich und trinke Tee, sie macht mir klar das ich


mich hinlegen soll. Wie ge
rne wuerde ich das Angebot annehmen - aber ich denke an die wenigen Tage und mein Visum und die grosse Strecke die noch vor uns liegt. Nach einer halben Stunde "Pause" in der schoenen, warmen Huette verabschiede ich mich, und sie begleite
t mich zurueck zu unserem Lager.

Tibeter sind ein seeehr gastfreundliches Voelkchen. Wann immer wir eingeladen werden muessen wir als erstes die Huette betreten, bekommen immer wieder Tee nachgeschenkt, auch wenn wir ihn noch nicht ausgetrunken haben, man bekommt immer den besten Platz am Ofen und alles was an Essen gerade da ist wird angeboten! Meistens sind das Teigbrotfladen, Yakmilch m
it Tee und zum Fruehstueck eine Art Mehl mit Butter und Zucker, welches dann mit Tee zu einem Klumpen geformt wird. Schmeckt jedenfalls gut!

Wir packen zusammen und machen uns auf den Weg, nicht ohne das uns dabei mindestens sieben tibetische Kinder neugierig zuschauen. Dieser Tag ist fuer mich per Autostopp recht hart, wir haben uns trotzdem fuer di
e weniger befahrene Strecke (welche in allen unseren Landkarten jeweils anders aussieht) entschieden um evtl. schneller hoch zur Seidenstrasse zu kommen.

Wir fahren mit zwei Trucks durch wunderschoene Landstriche, die ich nicht geniessen kann, da ich ab und zu das Fenster runterkurbeln muss um mich - bei laufender Fahrt- zu uebergeben. Positiv ist allerdings, dass beide Trucks mit gerade mal 30-40kmh die Strassen hochklettern, da sie so schwer beladen sind, so dass ich nicht zu sehr hin und hergeschuettelt werde, sondern einfach - wie im Delirium- in einer Stellung ausharre.

Unser zweiter Truck ist mit tibetischen Mustern verziert und der
Fahrer laedt uns gegen Abend zu seiner Familie ein. In diesem Fall nehmen wir gerne an, denn ich bin froh eine warme und trockene Unterkunft zu haben. Die Familie unseres Fahrers ist recht gross und alle sind sehr aufgeregt, dass wir zu Gast sind. Drei Kinder im Alter von 4-5 springen herum und freuen sich, als ich ihnen auf einer Toilettenpapierrolle verschiedene Tiere aufmale. Im tibetischenHauptraum, wo der grosse Ofen steht und wo die Familie auch schlaeft, ist es schoen warm und es haengen Bilder von Lhasa, der Portalla, Buddha und Co herum. Strom haben diese Haeuser in der Regel nicht, hoechstens durch eine Blockbatterie, ansonsten nutzen wir Kerzen. Die Moebel sind kunstvoll verziert (und alles ist schoen bunt!!). Alle Wandbehaenge oder Stoffe ha
ben schoene bunte Muster (Krissi wuerde vielleicht sagen: "Ein Kampf der Stile" :-) aber ich finde es total schoen und gem
uetlich)

Ich bin froh, dass es mir gegen Abend besser geht (Ich habe seitdem ich die Huette betreten habe, meinen Platz am Ofen nicht verlassen) und ich Tee und Brot zu mir nehmen kann
ohne das alles direkt wieder herauskommt. Die Familie ist voellig begeistert und aufgeregt als wir Fotos machen und sie freuen sich wie kleine Ki9nder sich selbst zu sehen! Es ist so schade, dass sie keine Adressen hier haben um Fotos zu schicken.
Wir schlafen gut in den tib
etischen Betten und verabschieden uns, natuerlich nicht ohne vorher gut gefruehstueckt zu haben. Alle begleiten uns hinaus und winken uns zum Abs
chied. Ich bereue, dass wir so wenig Zeit haben und nicht laenger bleiben koennen.

Tibeter sind neugierig wie kleine Kinder, sie packen alles an und untersuchen die Gegenstaende die wir dabei
haben (Taschenlampe, Rucksack, Kocher...),
gleichzeitig sind sie so herzlich und gastfreundlich, dass es mir schwerfallen wird "zurueck nach China" zu gehen, hier oben ist mein Heimweh wie weggeblasen vom tibetischen Hochlandwind.Mit kleinen Autostopps kommen wir aber eher beschwerlich voran, keine Autos...wir legen recht grosse Strecken zu Fuss zurueck. Wir enden in einem Dorf und versuchen rauszufinden wo wir eigentlich gerade sind. Erschreckenderweise sind wir in unserer Karte (auch nach mehrmaligem Fragen) nicht dort, wo wir eigentlich sein sollten. Wir halten Autofahrer an und versuchen aus dieser Stadt
herauszukommen. Es wird zum Desaster, wir machen ein ganzes "szenisches Spiel" (DANKE REFERENDARIAT, ich habs gelernt,...) eine Theaterauffuehrung am Strassenrand, um zu erklaeren was wir wollen - aber in einem Land, dass keine Koerpersprache besitzt, zwecklos - man wird einfach nur angestarrt und bekommt keine Antwort - the hardest part of hitch-hiking, here!
Voellig frustriert zwockeln wir nach fuenf Theaterauffuehrungen ab in unsere "mutmassliche" Richtung. Wir sollten mehr Chinesisch bzw. Tibetisch lernen...Ein Moench haelt an und wir erklaeren nochmals unser Problem - wir muessen raus aus dieser Stadt zur richtigen Strasse. Wir zwingen ihn schon fast uns zu bringen, er faehrt uns raus und ist verwundert, dass er uns auf einem Huegel an der Strasse im Nirgendwo rauslassen kann (aber das ist alles was wir wollen, und es ist sooo schwer zu erklaeren!) . Innerhalb der naechsten Stunde nimmt uns ein LKW mit, der uns abends an einer Kreuzung in der Landschaft rauslaesst, wir haben furchtbares Glueck, ein weiteres Auto kommt vorbei und faehrt in unsere Richtung. Es nimmt uns ein kleines Stueck mit, haelt dann allerdings an drei Zelten, wo ca. 25 Strassenarbeiter wohnen, welche dafuer zustaendig sind, die Loecher auf dieser Strecke notduerftig zu flicken, denn asphaltiert ist hier oben keine Strasse...
Das Fleckchen ist ansonsten wunderschoen, wir schlagen unsere Zelte am Fluss auf und richten uns fuer die frostige Nacht ein. Dann gehen wir mit chinesischen Instant-Nudeln in unseren Toepfen zurueck zu den Bauarbeiterzelten um nach heissen Wasser zu fragen. Sie laden uns direkt ins Zelt ein, freuen sich ueber den unerwarteten und offensichtlich interessanten Besuch, geben uns Tee, Broetchen und die besten Felle als Sitzgelegenheit. So sitzen wir also zwischen 25 tibetischen Strassenarbeitern um einen Ofen bei sternenklarer Himalya-Nacht und essen chinesische Instant-Nudeln. Unsere Gastgeber
geben sich ganz grosse Muehe und packen ihre drei englischen Woerter aus, sind furchtbar interessiert und freuen sich wie kleine Kinder als wir Fotos von ihnen machen. Ich bekomme heisses Wasser in einer Plastikflasche als Waermeflasche fuer mein Zelt, und schlafe einmal ohne kalte Fuesse ein!

Zu den chinesischen Strassenarbeitern sei noch kurz erwaehnt, dass diese meist monatelang in diesen Zelten am Strassenrand leben und lediglich fuer einen Hungerlohn, oder manchmal sogar nur fuer Essen arbeiten.



Am morgen packen wir frueh zusammen, natuerlich schaut
uns die einzige tibetische Familie die im Umkreis von 10km ihre Lehmhuette hat, dabei zu.
Genaugenommen wurde ich schon geweckt von zwei Paar kleinen, braunen, tibetsichen Kinderaugen, die in neugierig in mein Zelt geschaut haben :-)
Wir fruestuecken in Ruhe mit
den Strassenarbeitern, wir keonnen in diesem Teil etwa 20 Minuten vorher sehen ob ein Auto kommt. Der erste Pick-up
ist voll - aber wir passen trotzdem noch hinten auf die Ladeflaeche. Die Fahrt geht etwa 2-3 Stunden nordwestlich, und wir sind anschliessend voellig weiss zugestaubt. Dann warten wir etwa 1,5 Stunden auf das naechste Auto, haben dafuer aber einen Fluss wo wir uns waschen koennen. Einige auf Yaks reitende Kinder passieren uns mit ihren Schaf- und Kuhheerden.

Dann werden wir vom exakt gleichen Pick-up wieder aufgesammelt, wir bekommen Gesellschaft auf der Ladeflaeche von zwei weiteren Tibetern und machen es uns auf den Saecken bequem. Nach einigen Kilometern haben wir dann einen platten Reifen. Als ich mir den Vorgang des Reifen-Wechsels so anschaue...- ich mein ich hab ja selbst auch keine Ahnung, aber die gehen ihr Problem so daemlich an...egal, ich mische mich nicht zu derbe ein, weil das Maenner von anderen Kulturen sowieso nicht so gerne haben, wenn man als Frau mal was besser weiss....aber es dauert laaaaaaange! Nix mit Deutscher Effizienz :-)
Danach fahren wir fuenf Kilo
meter, dann ist der Reifen wieder platt (irgendwie erinnert mich das an den Autostopp in der Mongolei). Jetzt wird allerdings ein wenig praktischer gehandelt, wir fahren auf der Hinterachse jetzt einfach mit drei, anstatt mit vier Raedern weiter. Zack - einfach einen Reifen versetzt. Mit egal, so lange es voran geht.
Wir fahren auf ca. 5000m durch ein weites, endloses Hochplateau. Im Osten koennen wir schneebedeckte Berge sehen. Im Norden koennen wir dann - erschreckenderweise- eine schwarze Wand auf uns zukommen sehen. Wir bereiten uns auf das vor, was dort kommt, schuetzen die Rucksaecke mit Gewebetuechern, decken uns selbst mit Plastikplane zu, aber es wird verdammt kalt! Dann bricht das groesste Unwetter ueber uns herein, dass ich je erlebt habe. Die Blitze schlagen rechts und links von uns ein, im Sekundentakt. Hagel, Schnee und Wind stuermt ueber uns hinweg. Der Truck haelt an, wir kommen nicht mehr weit
er. Neben uns erkennen wir eine Lehmhuette, und entschliessen uns dorthin zu tuermen, da das Fuehrerhaeuschen des Trucks noch komplett voll ist mit der tibetichen Familie (und voll heisst hier wirklich (!) voll! Wir zaehlen bis drei, springen von der Ladeflaeche und stuermen in die Huette. Dort wohnen tatsaechlich Menschen, die uns direkt den besten Platz am Ofen anbieten, uns Dscha einschenken und tibetischen Brot geben. Es ist stockdunkel draussen ich erkenne die Gesichter nur schemenhaft, und wir sind klatschnass.
Gott sei Dank dauert das Unwetter nicht allzulange an und wir bedanken uns fuer die Gastfreundschaft und klettern total nass wieder auf die Ladeflaeche. Total durchgefroren werden wir dann ungluecklicherweise "in the middle of nowhere" rausgeschmissen, weil die Familie suedwaerts weiterfaehrt. Wir versuchen moeglichst schnell zu wandern, damit die Knochen/Muskeln wieder w
arm werden, bekommen jedoch Probleme wegen der extremen Hohe. Ich habe Atemnot. Endlich sehen wir eine Zelt- und Haeuseransammlung. Wir werden von ca. fuenf Hunden begruesst und 7-8 Einwohnern, die uns zum Tee einladen. Wir sagen nicht nein zum Ofen und sind dann bei der Familie gut aufgehoben und koennen langsam trocknen. Taylor muss sich dann allerdings wie immer selbst beweisen, wie hart und ausgefuchst er ist und will die Gastfreundschaft nicht annehmen und uebernachtet in einer verfallenen Huette bei ordentlichen Minus-Temperaturen. Wenn man zu lange reist, kriegt man halt auch einen Dachschaden. Ich lege mich lieber mit meiner guten, alten Thermarest neben den Ofen auf den Boden und schlafe gut, warm und trocken. Am anderen morgen darf ich nicht ohne Tee und Brot die Huette verlassen.

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