Donnerstag, 28. Mai 2009

Irkutsk und Baikal-See

Ich habe sie gefunden! Endlich! Das eigentliche Ziel meiner Reise ist erreicht - allein dafuer hat sich der weite Weg gelohnt: DIE HAESSLICHSTE KATZE DER WELT!
Oh man, ich bin begeistert. Sie hat einfach kein Fell!! Und das in Sibirien!

Ich bin bei Spike, seinem Freund und seinen "St.Petersburger" Katzen untergekommen. Spike lebt in einem dieser ganz alten, sibirischen Holzhaeuser. Vom Stil der Einrichtung fuehle ich mich direkt wie zu Hause (in der Kanalstrasse). Nach drei Tagen Zug freut man sich natuerlich auf das duschen, aber auch hier wird die "russische Tradition" eingehalten, und wir haben bis zum Wochenende kein warmes Wasser. Aber Impro-duschen kann ich auch.

Da Spike Englisch-Lehrer an einer Schule in Irkutsk ist, nutze ich die Gelegenheit und fahre am naechsten Tag mit zur Schule um mir den Englisch-Unterricht anzuschauen. Viertklaessler und Zweitklaessler bekommen Nachmittags extra-Unterricht. Ich bin sehr positiv ueberrascht. Das Team ist sehr jung (Anfang 20) und alle machen einen guten Job (auch ohne Referendariat!). Wobei diese Schule auch eine Privatschule ist, und sich die aelteren Schueler bisher immer ueber den normalen Englischunterricht in den puplic-schools beklagen.
Gegen Nachmittag treffen wir uns bei anderen Lehrern, essen zu Mittag (unter anderem den beruehmten Baikal-Fisch "Omul"). Die beiden anderen Lehrerinnen haben Nachmittags eine Pruefung. Aber da bin ich seit dem Reff ja Profi drin...und helfe also wieder einmal bei der Vorbereitung des Klassenraumes etc. fuer eine Pruefung - bloss in Russland.
Spike selbst macht verdammt guten und sehr humorvollen Unterricht, und auch ich lerne wieder dazu.

Am naechsten Tag sehe ich meinen ersten sibirischen Baeren in der Innenstadt von Irkutsk und erfreue mich mir Spike daran!

Wir besuchen ein Museum und treffen einen weiteren Couchsurfer aus Hawaii. Rene reist im Prinzip in die утепупут gesetzte Richtung. Er ist von Hawaii nach Vietnam geflogen und von dort dann ueber mehrere Laender hierher. Sein Freund von in London und er hat ihm seit mehreren Jahren versprochen "bevor du Examen machst, komme ich dich besuchen". Sein Freund hat in 2 Wochen Examen, also muss er sich jetzt beeilen...

Gegen Abend laed Spike mich dazu ein beim sogenannten "Night Watch" (wenn man das so uebersetzen kann) mitzumachen. Das Spiel ist vielleicht vergleichbar mit Geo-Catching. Ich weiss nicht genau, aber in der Kurzform пуре es darum, dass per sms Informationen versendet werden. Diese deuten wiederum Orte in der Stadt an - viele Autos begeben sich dann auf die Suche nach diesen Orten, um dort dann wiederum Codes zu suchen, die man dann im Internet eingibt (irgendein Kumpel muss die Home-Base machen) um eine neue, verschluesselte Nachricht fuer den naechsten Code zu erhalten.
Fuer mich sieht das ganze dann so aus:
Wir jagen die ganze Nacht mit einem Auto durch Irkutsk und steigen immer wieder, mit Taschenlampen bewaffnet, in uralte Ruinen von sibirischen Holzhaeusern, um diese dann nach Codes abzusuchen. Die Haeuser sind so ruiniert, dass sie in Deutschland komplett wegen Einsturzgefahr abgesperrt waeren. Aber es ist atemberaubend spannend und die Codes sind so dermassen gut versteckt, dass man in jeden Winkel kriechen, sich durch Latten, Sperrmuell und Bauschuttreste wuehlen darf und auf so manche interessante Dinge stoesst. Das alles natuerlich im Dunkeln. In manchen Hinterhoefen dieser Ruinen gibt es sogar noch kleine Holzhuetten in denen noch Menschen wohnen...

Am naechsten Tag bekomme ich eine exklusiv Stadtfuehrung von Polly und Olya, zwei CSler aus Irkutsk und Schueler von Spike. Wir besuchen ein Museum, laufen an der Angara entlang, besichtigen den Staudamm und viele der originalen sibirischen Holzhaeuser. Diese Holzhaeuser sehen in der Regel sehr schoen aus, faszinierend ist, dass sie immer tiefer im Boden versinken, so dass Fenster in Gewegen verschwinden und Tueren immer kleiner werden. Dies passiert aufgrund des sibirischen Permafrostbodens. Die Eigenwaerme die das Haus abgibt taut den Unterboden auf, dieser wird sumpfig, so dass die Haeuser dann Millimeterweise im Erdboden verschwinden.


Die russische Regierung will sich von diesen Siedlungen befreien und sta Hochhaeuser (schoeeeene Plattenbauten!) dahinsetzen. Das ist eigentlich sehr schade. ttdessen lieber neueFuer mich haben diese Siedlungen einen gewissen Charme und auch historischen Charakter. Leider wohnen in diesen Siedlungen keine wohlhabenden Menschen. Dass heisst, sie haben kein Geld ihre Haeuser instand zu setzen. Weiterhin haben sie kein fliessendes Wasser und sanitaere Anlagen nur im Hinterhof (sprich:Plumpsklo!). So sieht man haeufiger Wasserpumpen in den Strassen von Irkutsk, wo sich die Menschen ihr Wasser organisieren koennen.

Um mein Ticket in die Mongolei zu kaufen, bedarf es dieses Mal ein wenig mehr an Engergie. Die Frau hinter dem Schalter stellt sich trotz meiner Fuchteleien und Spikes russischer Notizen dumm. Nachdem ich dann mit Spike telefoniert hatte, und die entsprechenden Woerter bereit hatte, hat sie mir dann endlich Abfahrtszeit und Datum des Zuges genannt. Danach mache ich mich auf in die Stadt und erlebe einen russischen Sonntagstanztee.

In einer alten Maschrutka mit ca. 300kg Zucker auf dem Dach, mache ich mich am naechsten Tag auf nach Olchon, eine Insel die im Baikalsee liegt. Die wackelige Fahrt dorthin geht durch sibirische Landschaften, Wald- und Steppenlandschaften die schon fast an die Mongolei erinnern. Zwischendurch kreuzen Kuehe oder Ziegen die Fahrbahnen, ich kann einen Weisskopfseeadler beobachten (!), Reiter auf Pferden (Burjaten) und immer wieder Baeume, Pfaehle oder Pflanzen voll mit bunten Baendern behangen. Dies ist ein burjatisch-schamanischer Brauch.

Auf der Fahrt steigen Tanya (aus Irkutsk) und ihre Freundin Anna (aus Heidelberg) ein. Beide sprechen Franzoesisch, so dass ich aufmerksam werde und sie anspreche. Beide haben zusammen in Frankreich studiert. Wir machen uns bekannt, koennen uns allerdings nicht grossartig unterhalten, denn irgendwann hoeren die asphaltierten Strassen auf (nicht dass die wirklich gut gewesen waeren, aber...) und wir bewegen uns rumpelnd und schunkelnd ueber einfache Fahrwege weiter. Ab und zu habe ich bedenken, dass die Maschrutka einfach komplett umkippt, da sie sich ab und zu, je nach Steillage gefaehrlich weit in eine Richtung bewegt. Aber, zu dieser Zeit wusste ich nicht, dass es noch harmlos ist, gegen das was noch kommen sollte...

Aber russische Maschrutkas keonnen alles!!! Und deswegen kommen wir nach nur 6 Stunden gut durchgeruettelt auf Olchon an. Wir landen im "Hauptdorf" Chuchir und versuchen nach dem Ausstieg unser Schleudertrauma zu kurieren.
Die Insel zaehlt ca. 1500 Einwohner, ist dafuer aber 90km lang und 15km breit. Fast alle hier lebenden Menschen sind Burjaten. Burjaten waren vor der Sowjet-Zeit Normaden, so dass wir hier unsere ersten Jurten zu Gesicht bekommen. "Gott sei Dank" wurden sie dann mit der Sowjetunion alle dazu gezwungen in Doerfern aus vielen Holzhaeusern zusammen zu leben um Fischbetriebe fuer den Sowjetischen Staat zu betreiben.
Auf der Strasse kommen einem mehr Kuehe als Menschen entgegen gezwockelt und es gibt auch eine nicht zu verachtende Anzahl an Dorfhunden, so dass wir eigentlich stets in der Begleitung eines "treuen Freundes" durch die Sandwege des Dorfes stapfen.
Die beiden Maedchen haben ein Gaestezimmer bei Swedlana angemietet und ich darf mein Zelt im "Garten" fuer umgerechnet 1, 10Euro aufstellen (Dies ist also nun die erste Nacht in der ich fuer eine Unterkunft zahle, seit meiner Abfahrt :-)

Noch am selben Abend machen wir uns auf den Weg zum Ufer dieses gigantischen Sees. Die Burjaten nennen den Baikal nicht See sondern Meer. Burjaten sind i.d.R. Schamanisten, so dass wir direkt an einem beruehmten Schamanenfelsen wieder Kultstaetten mit bunten Stoffresten finden. Ich lasse mich nicht lumpen und schneide ein Stueck von unserem alten WG-Geschirrtuches ab und fuege es der "Kollektion" zu, in Gedenken an meine alten Mitbewohner :-).

Die Landschaft dieses Sees der Superlativen ist atemberaubend schoen. Er ist der groesste Suesswassersee der Erde und an der tiefsten Stelle -nicht weit von uns- ca. 1600km tief!! Er ist laeppische 636km lang (quasi von Muenster bis zur Schweizer Grenze) und 80km breit. Der See fasst insgesamt doppelt soviel Wasser wie unsere gute alte Ostsee, was damit 20% des Suesswasserbestandes der Erde ausmacht (also, keinen Krieg mehr mit Russland anfangen!). Leider ist das Wasser so kalt, dass wir nicht baden koennen, dafuer ist es aber Trinkwasser.Schon am naechsten Tagt machen wir uns auf eine Exkursion. Mit an Bord sind noch 3 Schweizer, eine Russin und zwei Deutsche. Wir haben unglaubliches Glueck, dass Tanya dabei ist, weil sie alle Informationen unseres Fahres uebersetzen kann. Unsere Fahrt fuerht uns an verschiedenen Plaetzen der Schamanen entlang. Wir koennen ganz eigene Flora und Fauna der Insel bewundern. Im Kiefern- und Laerchenwald tauchen auf einmal ca. 2m hohe pink-bluehende Straeucher auf (russischer Rodhodendron), dann gibt es Steppenlandschaften mit Wildpferden, Greifvoegeln und Zieselmaeusen. Wir koennen Alpem-Anemonen bewundern und bekommen zum Mittagessen Fischsuppe, die von unserem Fahrer ueber dem Feuer zubereitet wurde. Es ist natuerlich Omul den wir essen - und ich muss sagen - dies ist die erste Fischsuppe die mir schmeckt. Viele Sagen und Legenden ranken sich um die alten einzelnen Naturschauplaetze. Allerdings kann ich hier sowieso nicht ansatzweise die Worte finden um diesen Ort geschickt zu beschreiben.
Abends machen wir mit einigen Leuten ein Lagerfeuer am Ufer des Sees, wobei mir einer meiner Hundefreunde den Schmierkaese klaut, und ich in einer Wahnsinns-Aktion die Steilklippen hinauf hinterherhechte, und den Hund natuerlich NICHT erwische. Der bleibt allerdings immer wieder stehen und schaut ob ich auch ja Anstalten mache ihn zu verfolgen.

Ich mache eine Wanderung auf eigene Faust. Die beiden anderen haben eine weitere, gefuehrte Tour. Ich habe leider nicht genug Geld, und auf dieser Insel gibt es natuerlich keinen Geldautomaten... Meine Wanderung dauert ca. 6 Stunden, und da ich keine Karte habe, verlasse ich mich auf meinen Kompass - und der ist super! Irgendwo im nichts passiere ich wieder ein eher unheimlich aussehendes Schamanheiligtum.
Im Dorf wieder angekommen treffe ich zwei weitere Touristen (Polen und Deutschland) die mir erzaehlen, dass es doch tatsaechlich ein hospitality-club Mitglied auf der Insel gibt. Sie sind bei ihm untergekommen, er muss auf eine Art Kirche aufpassen. Am Abend ist noch eine alte Frau aus St.Petersburg da. Sie singt mit uns am Lagerfeuer russische Lieder. Sie hat Leningrad ueberlebt und moechte mit Anna diskutieren, warum Deutschland ihr kein Geld zahlt. Ausserdem sollte Anna laengst heiraten, da sie schon 30 ist...Ihre Gesellschaft wird ein wenig grenzwertig, und die arme Tanya muss die ganze Zeit Dolmetscherin spielen. So macht es sich die alte Dame mit uns nicht besonders leicht, aber nachher bietet sie mir an mit ihr in ihrem Haeuschen zu uebernachten, da die Naechte draussen gerade konstant kaelter werden (-6Grad). Als sie dann noch mitkriegt dass ich abgebrannt bin, steckt sie mir spaeter geraeucherten Omul und Pfannekuchen zu :-) dafuer ertreagt man natuerlich "politische Diskussionen"....

Unsere Gastgeberin Swedlana ist in diesem Dorf natuerlich gleich 2x "big im business". Sie verkauft auch noch die Bustickets. Fuer die Rueckfahrt koennen wir also bei ihr ein Busticket kaufen. Dafuer muessen wir natuerlich erst durch das halbe Dorf - dort hat sie dann einen kleinen Raum, wo sie uns dann mit einer Schere langwierig genau drei Bustickets im komplizierten Muster ausschneidet. Ich liebe diese "Proffessionalitaet" - so hat alles seinen Charme.
Nach den vier Tagen auf der Insel freue ich mich auf die Dusche. Bei Spike sind mittlerweile noch weitere Couchsurfer aufgetaucht. Zwei Polinnen ,2 Niederlaender und jemand aus New York. Ich bereite mich auf meine Weiterfahrt in die Mongolei vor.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen